Beschreibung
Die Diskussion um das anwendbare Recht einer Gesellschaft bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist nicht neu. Sie hat aber durch die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften in den letzten Jahren eine gänzlich neue Dimension erlangt: Seit den Judikaten „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ zur Zuzugsfreiheit von Gesellschaften ist die von vielen wichtigen europäischen Rechtsordnungen favorisierte Sitztheorie innerhalb der EU in weiten Teilen Geschichte. An ihre Stelle ist ihr rechtspolitisches Gegenstück, die Gründungstheorie, getreten. Und obwohl sich nationale Rechtsprechung und Literatur seit diesen Leitentscheidungen des EuGH intensiv mit der Reichweite der Niederlassungsfreiheit beschäftigen, ist das Thema gleichwohl bei Weitem nicht befriedigend analysiert. Dieser Problematik nimmt sich die vorliegende Arbeit an. Ihr Ziel ist es, auszuloten, ob und wie es möglich ist, heimische gläubigerschützende Normen auf eine EU-Kapitalgesellschaft mit deutschem Verwaltungssitz anzuwenden. Der Autor nimmt hierfür – zunächst abstrakt – sowohl die Grenzen des Internationalen Privatrechts als auch diejenigen des Europarechts in den Blick. Am Beispiel der Existenzvernichtungshaftung, die erst in den letzten Jahren durch die Entscheidungen des BGH „Trihotel“, „Gamma“ und „Sanitary“ eine neue Struktur erhalten hat, werden die gewonnenen Ergebnisse auf den konkreten Fall übertragen. Der Autor sieht auf der Basis der Gründungstheorie nur in Ausnahmefällen – etwa im Falle des Normenmangels – einen Spielraum, Vorschriften heimischen Gesellschaftsrechts auf eine EU-Kapitalgesellschaft anzuwenden. Gläubiger seien deshalb fortan gehalten, sich durch die Einholung von Informationen und Bestellung von Sicherheiten selbst zu schützen.